Preisverleihung: "Deutschland Land der Ideen". © netzpolitik.org Links Markus Beckedahl, rechts Andre Meister |
Nicht das es solche Anzeigen in der Historie unisono nicht schon immer gegeben hätte, einige Staatsfeinde sind auf Wikipedia (Volltextsuche) leicht zu finden (darunter Willy Brandt und Käthe Kollwitz).
Nun, was ist passiert. In zwei Beiträgen berichtete "netzpolitik.org" über die Budgetplanung des "Bundesamtes für Verfassungsschutz" (BfV) in dem unter anderem Millionenbeträge zum Ausspähung der Bürger in den sozialen Netzen vorgesehen waren. Diese Kosten wurden als "geheim" eingestuft. Die Veröffentlichung wurde daraufhin zur Anzeige gebracht. Also ein Kenntnisstand, der eigentlich jedem Bürger zugänglich sein müsste: Was geschieht mit unseren Steuern? Ins Besonderen wenn sie gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden...
Das reicht der Bundesanwaltschaft aus, um einen Anfangsverdacht zu konstruieren. Und jetzt gutachterlich zu prüfen, ob eine solche Straftat überhaupt vorliegt. Man fragt sich schon, für was haben die alle Jura studiert und nehmen solche hochdotierten Positionen ein, daß sie nicht in der Lage sind, das selbst zu beurteilen.
Erschreckend ist natürlich, daß es einmal wieder die Presse trifft. Hermes lässt grüßen. "Die Schere im Kopf" muß scheinbar wieder in Schwung gebracht werden.
Fast schon zynisch nimmt es sich da aus, was Meister noch zu berichten weiß:
Nächsten Mittwoch bekommen wir übrigens eine Auszeichnung als „Ausgezeichneter Ort“ von Deutschland – Land der Ideen, einer „gemeinsamen Standortinitiative der Bundesregierung und der deutschen Industrie“ – Schirmherr ist Bundespräsident Joachim Gauck.
Daß hinter der Anzeige und der Ermittlungsaufnahme politische Erwägungen stehen, greifen als erste die Heise News auf. Stefan Krempl und Martin Holland berichten unter der Überschrift "Vorwurf Landesverrat: Generalbundesanwalt ermittelt gegen Netzpolitik.org":
Kritiker monieren seit Langem, dass die Pressefreiheit und Whistleblower hierzulande nicht ausreichend geschützt sind. Normalerweise "sind Journalisten Zeugen, wenn wegen Leaks ermittelt wird", twitterte der Berliner Richter Ulf Buermeyer zu dem aktuellen Vorgehen. Dass der Generalbundesanwalt bei Netzpolitik.org anders handle, könne man "nur politisch lesen". Andere Beobachter rechnen mit einem großen PR-Gau für die Ermittlungsbehörde, die bislang keine hinreichenden Belege für Spionage der NSA gegen die Bundesregierung oder die Bevölkerung erkennen kann und daher in diesem Fall noch nicht neu konkret ermittelt.
In einem Blog-Beitrag im "Der Freitag" stellt Jonaz Delgado mit Blick auf einen weiteren Angriff auf die Presse fest:
"Das Cicero-Urteil war 2007 richtungsweisend und sollte die Pressefreiheit als wichtigen Bestandteil der freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik stärken."
Unter der vielsagenden Überschrift "Es läuft etwas grundfalsch in der Demokratie" wirft die Autorin Petra Sorge im "Cicero" dann auch die nicht unberechtigte Frage auf:
Generalbundesanwalt Harald Range ermittelt gegen zwei Journalisten des Blogs „netzpolitik.org“– wegen Landesverrats. Seit der Spiegel-Affäre und dem Cicero-Urteil hat es keinen vergleichbaren Eingriff in die Pressefreiheit gegeben. Der Fall wirft auch die Frage auf, wie beeinflussbar die Bundesanwaltschaft ist.
N24 greift ähnliche Fragen auf. In ihrem Beitrag vom 30. Juli 2015 weisen die Autoren darauf hin, daß:
Den Berichten zufolge hatte Maaßen in drei Fällen Strafanzeige erstattet. Zwei davon beträfen die Veröffentlichung von Auszügen aus Dokumenten des Verfassungsschutzes durch den Blog; im dritten Fall gehe es um einen geheimen Bericht über eine V-Mann-Affäre im Umfeld der rechtsextremen Terrorzelle NSU, über den "SZ" sowie NDR und WDR berichtet hatten. Im letzteren Fall sieht der Generalbundesanwalt demnach zumindest bislang keinen Anfangsverdacht - bei "netzpolitik.org" allerdings schon.
Da muß selbst die staatstragende Presse zugeben: "Landesverrat? Nein, netzpolitik.org schützt die Demokratie" (Die Zeit vom 30. Juli 2015) und Karsten Polke-Majewski fährt in der Zwischenüberschrift fort: "Verfassungsschutzpräsident Maaßen zeigt Journalisten an. Doch deren Arbeit ist wichtig - weil die deutschen Geheimdienste vom Staat nicht ausreichend kontrolliert werden." Und kommt zu einer beachtenswerten Aussage, die eine sehr wichtigen Aspekt in sich trägt:
Demokratie und Geheimdienst stehen in einem kaum aufzulösenden Widerspruch zueinander. In einer Demokratie beziehen die Mächtigen ihre Legitimation daraus, dass sie ihre Pläne und ihr Handeln offenlegen und zur Abstimmung stellen. Die Bürger wiederum vertrauen den Regierenden, weil sie jederzeit die Möglichkeit haben, deren Tun zu überprüfen und im Zweifel Widerspruch einzulegen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein: